Es war ein absoluter Kulturschock für die Szene, als vor zwei Jahren endgültig klar wurde, dass die legendäre Corvette von Chevrolet auf eine Mittelmotor-Plattform wechseln würde. Vom klassischen Frontmotor-Boliden mit langer Haube zum rennsportlichen Konzept mit zentral angeordneter Maschine: radikaler kann ein Konzeptwechsel nicht ausfallen.
von Jens Meiners
Drei Dachvarianten gibt es für die aktuelle Corvette:
– Einstiegs-Coupé mit herausnehmbarem Targa-Einsatz
– mit transparent abgetöntem Targa-Modul
– als Cabriolet mit elektrisch versenkbarem Hardtop
Das Cabriolet besitzt mehrere Vorzüge: Während das Targa-Modul bei der regulären Corvette nur im Stand abgenommen und verstaut werden kann, kann das Cabriodach per Tastendruck bei bis zu 50 km/h geöffnet oder geschlossen werden.
Zudem lässt sch die kleine Glasheckscheibe elektrisch ansteuern: Bei offenem Dach dient sie als Windschott, bei geschlossenen Dach lässt sie sich absenken, um die Ventilation zu verbessern und den V8 akustisch noch besser zur Geltung kommen zu lassen.
Übrigens wiegt die Cabrio-Variante nur 35 Kilogramm mehr als das leichte Targa-Coupé – vielleicht ein Anlass für Porsche, die amerikanischen Leichtbau-Konzepte, die man einst selbst so gut beherrschte, genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Kofferräume vorn und hinten sind mit zusammen 357 Litern üppig bemessen, die Bose Hifi-Anlage und das Telematiksystem erfüllen gehobene Ansprüche.
Noch nie war eine Corvette so gut verarbeitet, der Stil im Cockpit ist futuristisch, die Klimatisierung lässt sich über eine schmale Schalterleiste anpassen.
Preis bei uns: ab 106.000 Euro
Unser Testwagen war nicht nur mit der Top-Ausstattung namens 3LT, sondern zudem mit einer ganzen Reihe von Optionen ausgerüstet, die den Preis auf über 85.000 Dollar (ca. 70.000 Euro) treiben.
Doch das bei uns nicht erhältliche Einstiegsmodell 1LT kostet in den USA als Cabriolet nur 68.495 Dollar.
Das Coupé startet ab 60.995 Dollar (ca. 50.150 Euro).
In Deutschland legen die Amerikaner happig drauf:
Die auf dem Niveau 3LT basierende „Launch Edition“ beginnt bei 99.000 Euro.
Für das Cabriolet werden 106.000 Euro fällig.
Doch das ist im Konkurrenzvergleich immer noch sehr günstig.
Denn die neue Corvette tritt wie ein Supersportwagen auf.
Und diesen optisch dokumentierten Anspruch erfüllt sie auch auf der Straße: Direkt hinter den Passagieren sitzt der legendäre 6,2-Liter-V8-Saugmotor, der in der US-Variante mit Sportauspuff 502 PS leistet.
In Deutschland sind es 475 PS, die bei 6.450 Umdrehungen in der Minute und damit knapp unterhalb der Drehzahlgrenze erzeugt werden.
Das maximale Drehmoment von 613 Newtonmetern liegt bei 4.500 U/min an.
Der „Small Block“-Motor schiebt schon im unteren Drehzahlbereich mächtig an.
Die Leistung steigert sich linear.
Sie wird über ein Acht-Gang-Doppelkupplungsgetriebe auf die Hinterräder gebracht, die sowohl die Kunst der sauber verschliffenen Gangwechsel als auch das brutale Hereinpeitschen der nächsten Übersetzung beherrscht.
Untermalt wird das ganze von einem bassigen Klangteppich, der Elektro- und Hybrid-gepeinigten Enthusiasten in Europa Tränen der Rührung in die Augen treiben dürfte.
Eine Handschaltung gibt es leider nicht mehr; die Beschwerden der traditionsbewussten Kundschaft darüber sind nicht verstummt, auch wenn sich die Sieben-Gang-Box des Vorgängers in der Bedienung keineswegs durch besondere Grazie auszeichnete.
In 3,5 Sekunden auf 100
Die Fahrleistungen liegen auf sehr hohem Niveau.
Der Sprint von 0 auf 100 dauert in der Europa-Version 3,5 Sekunden.
Die Spitze liegt bei 296 km/h.
Die US-Variante liegt sogar noch marginal besser.
Im US-Zyklus verbraucht die Corvette 12,4 Liter Sprit pro 100 Kilometer, bei ruhiger Gangart ist es uns jedoch sogar gelungen, auf rund neun Liter zu kommen.
Damit beweist Chevrolet einmal mehr, dass nichts über großvolumige Aggregate geht.
Sie verbrauchen im Realbetrieb oft weniger als hochgezüchtete Downsizing-Maschinen.
Oder Plug-in-Hybride, die zentnerweise Akkus mit sich herumschleppen.
Elektronische Dämpferregelung
Wenn gewünscht, gibt sch die Corvette zahm: Die elektronische Dämpferregelung lässt sich komfortabel einstellen, das Geräusch kann in den „Stealth“-Modus versetzt werden, und so lassen sich auch Langstrecken entspannt zurücklegen.
Sobald der Fahrer möchte, ändert sich der Charakter jedoch auf Knopfdruck blitzschnell, die Motor- und Fahrwerksparameter werden angeschärft.
Dann lässt sich die Corvette über das griffige Zwei-Speichen-Lenkrad mit äußerster Präzision einlenken, der 6,2-Liter-Motor brüllt auf, und die Bodenhaftung ist so überragend, dass nur noch wenige Sportwagen mitkommen – schon gar nicht in dieser Preisklasse.
Die hecklastige Gewichtsverteilung von 60:40 sorgt für hervorragende Traktion.
Die Michelin-Reifen brillieren auf trockener und nasser Straße.
Die Brembo-Bremsanlage ist im Ansprechcharakter einstellbar.
Sie beißt kraftvoll zu, lässt sich aber gleichzeitig hervorragend modulieren.
Der eingangs erwähnte Kulturschock, soviel steht fest, hat die bislang beste Corvette hervorgebracht.
Ein Problem gibt es trotzdem: Noch immer fremdeln nicht nur Traditionalisten mit dem als juvenil empfundenen, sehr aggressiven Design.
Aber das ist Geschmacksache.
Tatsache ist hingegen: Die Corvette ist zum echten Supersportwagen geworden.
Und unter ihnen ist sie mit Abstand das beste Angebot. (ampnet/jm)
Technische Daten vom Cabriolet Motor: V8 Benzin-Direkteinspritzer Hubraum: 6.162 ccm Leistung: 475 PS (345 kW) bei 6450 U/min Max. Drehmoment: 613 Nm bei 4500 U/min Höchstgeschwindigkeit: 296 km/h Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,5 Sekunden
Länge: 4,63 Meter Breite: 1,93 Meter Höhe: 1,23 Meter Radstand: 2,72 Meter Leergewicht: min. 1576 kg (trocken) Kofferraumvolumen: 357 Liter (v. + h.)
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